Empfehlungen zur Stärkung der politischen Bildung und Teilhabe von EU-Bürger:innen und Drittstaatler:innen in Potsdam

Internationaler Tag des Wahlrechts für alle: Empfehlungen zur Stärkung der politischen Bildung und Teilhabe von EU-Bürger:innen und Drittstaatler:innen in Potsdam

Am 27. Februar 2025 haben wir folgende Empfehlungen zur Stärkung der politischen Bildung und Teilhabe von EU-Bürger:innen und Drittstaatler:innen in Potsdam an den Oberbürgermeister Mike Schubert übergeben (die Integrationsbeauftragte Dr. Amanda Palenberg war an dem Tag leider verhindert, wurde jedoch ebenfalls addressiert). Heute, am 26. April, dem Internationalen Tag des Wahlrechts für alle, möchten wir diese Forderungen publik machen.

Sehr geehrter Herr Mike Schubert, sehr geehrte Frau Dr. Amanda Palenberg,

wir freuen uns Ihnen in In Ihren jeweiligen Funktionen als Oberbürgermeister der Stadt Potsdam und als Integrationsbeauftragte der Stadt Potsdam die Ergebnisse der Symbolwahl zur Bundestagswahl vom 22. Februar 2025 zu übergeben. Darüber hinaus möchten wir Ihnen Ideen für weiterführende Maßnahmen unterbreiten, die aus unserer Sicht geeignet erscheinen, um die politische Bildung und Teilhabe aller hier lebenden Menschen zu gewährleisten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Die diesjährige Symbolwahl verdeutlichte erneut, dass viele in Potsdam lebende Menschen ohne deutschen Pass politisch gerne mitbestimmen würden – weil sie seit Jahren hier leben, arbeiten und zur Gesellschaft beitragen. Sowohl bei der Symbolwahl zur Bundestagswahl am 22. Februar 2025, als auch bei jener zur Landtagswahl Brandenburg am 21. September 2024 wurde in Gesprächen mit der Zielgruppe deutlich, dass bei vielen der Wunsch besteht, die politischen Verhältnisse, die sie betreffen, aktiv mitzubestimmen. Andere haben jedoch u.a. aufgrund des fehlenden Wahlrechts eine große innere Distanz zu und einen erheblichen Bedarf an politischer Bildung aufgezeigt.

Die Stadtverordneten der Stadt Potsdam haben zuletzt am 15. Mai 2025 ein Integrationskonzept für die Jahre 2024-2028 beschlossen, das wichtige Maßnahmen für eine vielfältige und inklusive Gesellschaft formuliert. Politische Bildung und Teilhabe sollten in zukünftigen Integrationskonzepten jedoch konkreter verankert und als zentrale Bestandteile der Integrationsarbeit konsequent gestärkt werden.

Politische Bildung und Teilhabe als festen Bestandteil von Integration stärken

1. Niedrigschwellige und mehrsprachige Informationsangebote ausbauen
Insbesondere in Deutsch- und Integrationskursen kommt das Thema Leben in Deutschland häufig zu früh im Lernprozess, wenn viele Teilnehmende die deutsche Sprache noch nicht ausreichend beherrschen, um das politische System Deutschlands zu verstehen. Daher braucht es weitere Maßnahmen:

  • schrittweise und sprachsensible Vermittlung von politischen Themen wie Wahlen, d.h. angepasst an das Sprachniveau der Lernenden und unter Verwendung offizieller Materialien in einfacher Sprache, aber auch von mehrsprachigen bzw. muttersprachlichen Informationen zu Wahlen, Parteien und politischer Beteiligung vermittelt werden (z.B. unter Rückgriff auf Browser-Übersetzungen offizieller politischer Bildungsangebote, sowie digitale Angebote wie Webinare, interaktive Lernplattformen oder kurze Erklärvideos, um den Zugang zur politischen Bildung zu erleichtern.)
  • Parallel zu offiziellen Wahlen Durchführung von Symbolwahlen in Sprach- und Integrationskursen (gültiges Wählen üben und Austausch über Erfahrungen mit Wahlen in den Herkunftsländern um mögliche Bedenken, wie Korruption, Wahlbetrug, etc. aufgreifen zu können).

Um insbesondere neu Eingebürgerte und langfristig hier lebende Menschen besser in die politische Teilhabe einzubinden und sie über ihre politischen Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten aufzuklären, braucht es weitere gezielte Maßnahmen, z.B.

  • bei Antrag auf Einbürgerung Information über das damit einhergehende Wahlrecht, den Ablauf der Wahl sowie politische Bildungsangebote (z.B. durch Verweis auf Angebote der Landeszentrale für Politische Bildung zu Wahlen)
  • bei Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Einladung zu Informationsveranstaltungen (u.a. zu Wahlen) für neu Eingebürgerte

2. Den Zugang zum Wahlrecht über die Staatsangehörigkeit erleichtern

  • Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Ziel beantragten, 2025 an der Bundestagswahl mitzuwirken zu können, wurde dies aufgrund der vorgezogenen Wahlen verwehrt. Aufgrund langer Bearbeitungszeiten (durchschnittlich knapp 2 Jahre) bei der Bewilligung der deutschen Staatsangehörigkeit in der Potsdamer Verwaltung, kommt es auch bei regulär stattfindenden Wahlen immer wieder dazu, dass das Wahlrecht von Betroffenen nicht rechtzeitig ausgeübt werden kann. Gerade weil mit dem Versprechen der erleichterten Einbürgerung im politischen Diskurs eine Distanzierung vom Wahlrecht für Drittstaatler:innen einhergegangen ist, muss dieser Weg zur Wahrnehmung des Wahlrechts zeitnah gewährleistet werden können.

3. Den Weg zu einem modernen Wahlrecht endlich ebnen

Bezug nehmend auf die Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (angenommen am 4.9.2003), in der folgendes zum Wahlrecht festgestellt wird: „Das Europäische Parlament erachtet es als erforderlich …, den Ausländern, die sich seit langer Zeit (drei Jahren) rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten und Staatsangehörige von Drittländern sind, das aktive und passive Wahlrecht für die Kommunalwahlen sowie für die Wahlen zum Europäischen Parlament einzuräumen.“ fordern wir

  • Die Erfassung der Anzahl der aufgrund nicht-deutscher Staatsangehörigkeit Nicht-Wahlberechtigten in der Stadt Potsdam und ihre Sichtbarmachung durch Ausweisung dieser Zahl in der offiziellen Wahlstatistik unter http://www.potsdam.de/de/wahlergebnisse und im Open Data Portal, sowie
  • Das Hinwirken auf die Erfassung der Anzahl der aufgrund nicht-deutscher Staatsangehörigkeit Nicht-Wahlberechtigten im Land Brandenburg und ihre Sichtbarmachung durch Ausweisung dieser Zahl in der offiziellen Wahlstatistik des Landes Brandenburg unter https://wahlergebnisse.brandenburg.de/
  • Die Unterzeichnung der Erklärung „unsere Städte – unsere Stimmen“/ „our cities – our votes“, einer Initiative des europäischen Netzwerks „Voting Rights for All Residents/ VRAR“ (abrufbar unter: https://wir-wählen.org/wp-content/uploads/2022/11/2022-our-cities-our-votes_declaration_city-council_deutsch.pdf) als deutliches Zeichen dafür, dass die Stadt Potsdam sich dem Thema Wahlrecht für Drittstaatler:innen proaktiv widmet.

Ein modernes Einwanderungsland braucht eine inklusive Demokratie. Politische Bildung und Partizipation müssen in der Integrationsarbeit systematisch verankert werden. Nur wenn alle hier lebenden Menschen – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – politisch mitbestimmen können, wird unsere Demokratie gerechter und zukunftsfähiger.

Jetzt ist die Zeit, politische Bildung und Teilhabe aktiv zu fördern und langfristig strukturell zu verankern.

Mit freundlichen Grüßen

Fereshta Hussain

Vorsitzende des Migrantenbeirats der Stadt Potsdam

im Auftrag von WIR WÄHLEN Potsdam

(Migrantenbeirat der Stadt Potsdam, Pan-African Women’s Empowerment and Liberation Organization Masoso (PAWLO-Masoso) e.V., Seebrücke Potsdam, Inwole e.V. Projekthaus Potsdam und engagierte Einzelpersonen)